Körperliche Inaktivität ist bekanntlich ungesund,

Aktivität dagegen lebensverlängernd.

 

Es muss aber keineswegs Sport sein. Viel ist angeblich schon gewonnen, wenn exzessives Sitzen vermieden wird. Denn Sitzen an sich scheint richtig lebensgefährlich zu sein.

 

In der Evolution ist die natürliche Bewegungsform für den Homo sapiens Laufen oder Gehen. Sitzen ist jedenfalls nicht vorgesehen. Und das Überleben einer hohen Querschnittverletzung erst recht nicht. Das ist durch den medizinischen Fortschritt erst in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten möglich geworden.Besonderes Augenmerk gilt der Wiedererlangung der Lebensqualität, Vermeidung der sozialen Isolation durch Integration ins Berufs- und kulturelle Leben.

 

Wer durch Krankheit oder Schicksal in den Rollstuhl gezwungen wird, hat aber noch andere Probleme. Das größte Problem ist das ständige Sitzen. Im gesamten Körper schwinden die Muskeln, die Sehnen verkürzen sich und in den Gelenken entstehen Missempfindungen. Ein schmerzfreies Sitzen ist nur auf speziellen Kissen möglich. Der Druck des Körpergewichtes muss so aufgefangen und verteilt werden, dass am Gesäß kein Druckgeschwür und kein Blutstau entsteht.

 

Es gibt zahlreiche medizinische Studien, die belegen, welche Veränderungen im Stoffwechsel und im Körper stattfinden und zu welchen Ergebnissen sie führen. Allen voran zu nennen ist das sogenannte metabolische Syndrom. Vereinfacht versteht man darunter Übergewicht und Bluthochdruck sowie zu viel Fett und Zucker im Blut. Körperliche Inaktivität fördert eine nicht-alkoholische Fettleber sowie eine lebensbedrohliche Verkalkung der Herz- und Hirngefäße (Atherosklerose: Beschreibt den Zustand der Gefäßinnenwand, bei dem durch Bildung von Plaques Gefäßveränderungen entstehen können. Arteriosklerose beschreibt den physiologischen Gesamtzustand der Arterien).

 

Als ich auf diese Zusammenhänge stieß, bekam ich Angst und begann, meinen Bauchumfang zu kontrollieren und meine Körpermassen zu bestimmen. Meinen Hausarzt veranlasste ich, umfangreiche Blutuntersuchungen vorzunehmen, um festzustellen, wie es um meine Gesundheit bestellt sei. Mit den Ergebnissen der Blutuntersuchungen konnte ich zufrieden sein.  

 

Die Studien der amerikanischen Wissenschaftler ließen mich jedoch nicht mehr los. Sie beschäftigten sich seit Jahren schwerpunktmäßig mit diesen Themen, die mich früher in meiner ärztlichen Tätigkeit nur als Randgebiet interessiert hatten. Zu den Kernfragen ihrer Forschung gehörte zum Beispiel die, warum trotz identischer Kalorienaufnahme und scheinbar gleicher körperlicher Aktivität manche Menschen immer dicker werden und andere gertenschlank bleiben. Eine Frage, die meine Patientinnen mit Übergewicht für sich auch gerne geklärt gehabt hätten.

 

Eine Haupterkenntnis ist die, dass die Schlanken sich unbewusst mehr bewegen. Man fand dies heraus, indem man die Probanden spezielle Wäsche mit Sensoren tragen ließ. Im Ergebnis bewegten sich die Übergewichtigen zwei Stunden weniger als die Schlanken.

Nehmen wir als Beispiel das Enzym Lipoproteinlipase. Dieses Enzym spielt eine zentrale Rolle beim Fettstoffwechsel im menschlichen Organismus. Es wird in vielen Geweben hergestellt, auch in den Muskeln. Ein niedriger Gehalt an Lipoproteinlipase geht einher mit einer ganzen Palette von Gesundheitsproblemen, darunter auch Herzerkrankungen. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass dieses Enzym in den Beinmuskeln nur hergestellt wird, wenn sie aktiv angespannt, also betätigt werden. Lipoproteinlipase ist nicht das einzige Enzym, auf das sich eine Untätigkeit der Muskeln ungünstig auswirkt. Aktive Muskelanspannung produziert eine ganze Reihe von Substanzen, die dem Körper auch bei der Verarbeitung und Speicherung von Fetten und Kohlenhydraten helfen. (Kapitel „Nachhaltige Therapien“)

 

An derartigen Untersuchungen sind in Amerika vor allen Dingen die Lebensversicherer interessiert, während hierzulande auch andere Versicherungen (Techniker Krankenkasse 2013 eigene Untersuchung) besonderes Interesse an solchen Untersuchungen zeigen.

Wie schädlich sitzen ist, hat 2010 eine  epidemiologische Studie mit einer Beobachtungszeit von vierzehn Jahren mit mehr als 120.000 Amerikanern gezeigt: Männer, die täglich sechs Stunden oder mehr sitzen, hatten eine um zwanzig Prozent höhere Sterblichkeit als Männer, die maximal drei Stunden sitzend verbrachten. Bei Frauen betrug der relative Unterschied sogar vierzig Prozent. Eine überwiegend sitzende Lebensweise ist jedoch die Norm in den wohlhabenden Ländern.

 

Sitzen, bzw. Inaktivität führt sehr rasch zu einer massiven Abnahme des Energieverbrauchs. Damit verbunden ändern sich auch Hormonwirkungen, allen voran das Insulin mit seiner Wirkung auf den Blutzuckerspiegel. Ferner verändern sich die Spiegel der Blutfette mit allen schädlichen Folgen für die Blutgefäße. Diese Effekte sind sogar zu beobachten, wenn die Nahrungsaufnahme dem reduzierten Energiebedarf angepasst wird. Sitzen ist ungesund, gleichgültig, ob man im Rollstuhl, im Auto, vor dem Fernseher oder am Schreibtisch sitzt. Das Risiko der Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist immer vorhanden.

 

Nach den Studienergebnissen ist das Gegenteil von Inaktivität glücklicherweise nicht Sport, sondern Aktivität.  

Es reicht offenbar, über Jahre hinweg, nur ein bisschen rege zu sein. Selbst geringe Muskelbewegungen scheinen zu zählen. Und genau hier liegt die Chance für alle: für den inkomplett gelähmten Rollstuhlfahrer genauso, wie für den übergewichtigen Normalbürger. Übergewichtige führen nach den Studien täglich nur 1.500 Bewegungen aus und sitzen fast zehn Stunden. Schlanke Bauern in Jamaika hingegen kamen auf täglich immerhin 5.000 Bewegungen und eine Sitzdauer von nur 367 Minuten. Untersuchungen in der Glaubensgemeinschaft der Amischen („Amish people“), bei denen Übergewicht und Bluthochdruck anders als bei ihren amerikanischen Mitbürgern nicht bekannt sind, ergaben, dass die Männer täglich über 18.000 Schritte tun, die Frauen mehr als 14.000. Das ist etwa das Doppelte der Schrittleistung in der allgemeinen Bevölkerung. Diese Glaubensgemeinschaft lebt unter den Bedingungen des achtzehnten Jahrhunderts ohne Strom und ohne Kraftfahrzeuge.

 

Sitzen ist offenbar die passivste Tätigkeit, der man sich überhaupt widmen kann. Man verbrennt mehr Energie, wenn man Kaugummi kaut oder auf dem Stuhl hin- und herrutscht, als wenn man einfach nur still dasitzt. Im Vergleich zum Sitzen ist Herumstehen Schwerstarbeit.

 

Ich spüre die Pulsbeschleunigung deutlich, wenn ich aus dem Rollstuhl in den Stand wechsle. Im Stehen werden Muskeln in den Beinen, im Rücken und in den Schultern beansprucht. Das Gewicht wird von einem Fuß auf den anderen verlagert. Das alles verbraucht Energie.

 

Bei vielen Menschen ist die Gewichtszunahme einschleichender Prozess: ein Kilo dieses Jahr, zwei oder drei im nächsten. Soviel kann man zunehmen, wenn man jeden Tag nur dreißig Kalorien mehr aufnimmt, als man verbrennt. Dreißig Kalorien sind nicht viel. Eine halbe Banane oder ein paar Kartoffelchips.

 

Wenn man also schon sitzen muss, sollte man das sogenannte dynamische Sitzen bevorzugen. Darunter versteht man, dass man nicht bewegungslos auf seinem Untersatz sitzt, sondern „herumzappelt“. Noch besser ist sicher, ab und zu aufzustehen. Denn viele Pausen beim Sitzen, auch wenn sie nur Minuten dauern, stärken Herz und Kreislauf und mindern das Körperfett. Die Forscher waren besonders überrascht von der Tatsache, dass sich schon geringfügige Tätigkeiten positiv auswirken. Der Normaltätige im Büro benutzt zum Beispiel die Toilette eine Etage höher, die er natürlich zu Fuß aufsucht. Der Rollstuhlfahrer unterbricht seinen sitzenden Alltag durch Stehpausen. Wenn keine Restfunktionen zum Stehen vorhanden sind, gibt es spezielle Stehtische, an denen die Verrichtungen vorgenommen werden können.

 

Beim Stöbern traf ich auf eine Diätanweisung, die ich für mich so modifizierte, dass ich zum Frühstück kein tierisches Fett, kein tierisches Eiweiß, sondern nur Kohlenhydrate zu mir nehme. Diese Maßnahme senkt den Insulinverbrauch um das Vierfache. Zum Mittagessen ist alles erlaubt. Ich bevorzuge die so genannte „mediterrane Diät“ mit frisch gekochtem Gemüse, weißem Fleisch, Nudeln oder Kartoffeln sowie Reis, dazu Obst. Abends sind Kohlenhydrate verboten! Tierisches Eiweiß in jeder Form und Menge (Gesamtkalorien beachten!) ist erlaubt, dazu Salat. Durch diese Maßnahme wird der Stoffwechsel gezwungen, vorhandenes Körperfett durch das Hormon Glucagon in Zucker umzuwandeln. Nachts, wenn das Gehirn hochaktiv ist, benötigt es Zucker. Das Gehirn ist sogar in der Lage, den Stoffwechsel so zu programmieren, dass andere Organe, die nachts Zucker benötigen, in eine Art Warteschlange aufgenommen werden. Im Endeffekt wird also durch diese Ernährungsregulation der Stoffwechsel so umgestellt, dass nachts im Schlaf Körperfett abgebaut wird. Das ist für mich eine der wichtigsten Maßnahmen, mein Körpergewicht zu halten, ohne auf Nahrungs- und Genussmittel zu verzichten. Das gelegentliche Gläschen Wein am Abend bildet dabei die Ausnahme, denn Alkohol ist in diesem Sinne Zucker pur. Ist der Stoffwechsel nach vier bis sechs Wochen erst einmal umgestellt, sind gelegentliche „Sünden“ nicht mehr in der Lage, einen nachteiligen Effekt zu erzeugen.

 

Mithilfe der beschriebenen Maßnahme ist es mir gelungen, innerhalb eines Jahres fünfzehn Kilo Gewicht abzunehmen, ohne zu hungern.

 

Ob Sie Ihr Normalgewicht erreicht haben, überprüfen Sie mit dem Bodymass Index 

 

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